Risse in tragenden Wänden sind ein Thema, das ich auf Baustellen immer besonders ernst nehme. Sie können harmlos sein oder auf ein strukturelles Problem hinweisen — und die richtige Einschätzung entscheidet über Sicherheit und Kosten. In diesem Beitrag erkläre ich, wie ich Risse beurteile, welche temporären Abstützungen ich verwende und welche dauerhaften Sanierungsschritte sich in der Praxis bewährt haben.
Wie ich einen Riss zuerst beurteile
Beim ersten Blick auf einen Riss versuche ich systematisch vorzugehen: Lage, Länge, Breite, Verlauf und Umgebung geben viele Hinweise. Dabei achte ich auf folgende Punkte:
Risslage: Befindet sich der Riss in einer tragenden Wand (z. B. Aussenwand, Innenwand mit Sturz/Unterzug)? Risse in tragenden Wänden sind ernster als in nicht tragenden Trennwänden.Rissrichtung: Horizontale, vertikale oder schräge Risse? Schräge Risse über Tür- oder Fensteröffnungen deuten oft auf Setzungen oder ungleichmässige Lastverteilung hin.Rissbreite: Haarrisse (<0,3 mm) sind meist nur oberflächlich. Risse über 1 mm sollten genauer untersucht werden.Rissverlauf und -veränderung: Vergrössert sich der Riss? Ich markiere Enden und messe in Intervallen oder nutze Rissmonitoring (Rissfühler) zur Beobachtung.Umgebungsfaktoren: Feuchtigkeit, Salzausblühungen, Anzeichen für Korrosion von Bewehrung oder Holzteilen, und jüngste Bauarbeiten (z. B. Aushub, Änderungen in der Statik).Wenn ich unsicher bin oder mehrere Hinweise auf Tragwerksprobleme vorliegen (z. B. seitliche Verschiebungen, Tür- und Fensterverzug, grosse Rissbreiten), rate ich immer zur fachlichen Abklärung durch einen Statiker oder Bauingenieur.
Wann ist eine temporäre Abstützung nötig und wie ich sie plane
Temporäre Abstützungen sind notwendig, wenn die Standfestigkeit oder Lastabtragung gefährdet ist — z. B. bei grösseren Rissen oder entfernten tragenden Elementen. Mein Vorgehen umfasst:
Risikoabschätzung: Bevor ich irgendetwas abstütze, schätze ich, welche Lasten übertragen werden müssen und wie lange die Abstützung bestehen bleibt.Arten von Abstützungen: Ich nutze vor allem Stahlstützen (Gerüststützen/Holzstützen nur bei kleinen Lasten und kurzer Dauer) und provisorische Unterzüge (z. B. Stahlträger IPE/HEA), je nach Situation.Platzierung: Abstützungen setze ich nahe an der betroffenen Wand, so dass Lasten sicher in den Boden oder ein tragfähiges Untergrundelement geleitet werden. Bei Innenwänden stelle ich häufig eine Unterkonstruktion mit zwei Stützen und einer Trägerbalkenlage her.Sicherheit: Abstützungen dürfen nicht verrutschen. Ich benutze rutschfeste Bodenplatten, Ankerbolzen bei Bedarf und kontrolliere die Tragfähigkeit des Untergrunds.Bei komplexen Fällen arbeite ich mit einem Statiker zusammen, der die notwendige Dimensionierung der Stützen und eventueller Hilfsunterzüge berechnet. Kleine temporäre Abstützungen baue ich mit Domkraft-geregelten Stützen (z. B. Hilti oder Layher Komponenten), da sie fein einstellbar sind und hohe Lasten sicher aufnehmen.
Dauerhafte Sanierungsschritte, die ich empfehle
Die dauerhafte Sanierung richtet sich nach Ursache und Schadensbild. Die folgenden Schritte sind in meiner Praxis vielfach erprobt:
Ursachenermittlung: Ohne die Ursache zu beseitigen, kommt es zu Rückfällen. Ursachen können Setzungen, mangelhafte Gründungen, Feuchtigkeit, Überlastung oder Korrosion der Bewehrung sein. Ich dokumentiere alles und lasse bei Bedarf eine geotechnische oder statische Untersuchung durchführen.Instandsetzung der Bewehrung: Bei Rissen durch korrodierte Bewehrung säubere ich die Bewehrung, entferne korrodiertes Material, schütze mit Rostschutzbeschichtungen (z. B. Zinkphosphat- oder Epoxy-Grundierung) und stelle die Betondeckung mit geeigneten Reparaturmörteln wieder her.Einbringen von Verstärkungen: Bei tragenden Wänden verwende ich oft Stahl-Längsprofile (z. B. I-Träger) oder Carbonfaserverbundstoffe (CFRP) als ergänzende Verstärkung. CFRP ist besonders dann interessant, wenn Platz begrenzt ist und man die Wand schmal verstärken möchte.Injektion bei Rissen: Bei nicht vollständig durchgehenden Rissen, die strukturell reparierbar sind, setze ich Harzinjektionen (Epoxid oder Polyurethan) ein. Epoxidharze sind hochfest und ersetzen die verlorene Tragfähigkeit – ideal bei statisch relevanten Rissen. Polyurethane eignen sich bei wasserführenden Rissen, da sie dehnen und abdichten.Neuverputz und Schutzschicht: Nach strukturellen Arbeiten stelle ich den Putzaufbau wieder her mit mineralischen Reparaturmörteln oder Sanierputzen, die atmungsaktiv sind. Bei aussenliegenden Wänden achte ich auf Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) oder kapillaraktive Innendämmungen, falls nötig.Materialauswahl: Was ich verwende und warum
Die Auswahl der richtigen Produkte beeinflusst Haltbarkeit und Erfolg. Hier ein kurzer Vergleich, den ich oft nutze:
| Material | Vorteile | Nachteile |
|---|
| Epoxidharz (Injektion) | Hohe Festigkeit, füllt Hohlräume, dauerhafte Lastübertragung | teurer, nicht diffusionsoffen, nicht für wasserführende Risse |
| Polyurethan (Injektion) | dehnbar, abdichtend bei Wasser, günstiger | weniger strukturelle Festigkeit |
| CFRP-Lamellen | sehr hochfest, geringe Dicke, korrosionsfrei | höhere Kosten, Fachverlegung nötig |
| Stahlträger (IPE/HEA) | bewährt, hohe Tragfähigkeit | aufwendigere Einpassung, Korrosionsschutz nötig |
Typische Fehler, die ich vermeide
Aus meiner Erfahrung vermeiden je nach Projekt einfache, aber gravierende Fehler:
Risse nur optisch überdecken (überputzen), ohne Ursache zu prüfen.Ungeeignete Produkte verwenden (z. B. flexible Fugendichtungen bei statisch relevanten Rissen).Temporäre Abstützung unzureichend dimensionieren oder falsch platzieren.Korrodierte Bewehrung nicht behandeln und wieder einzementieren.Praktische Tipps für Heimwerkerinnen und Handwerker
Für alle, die selbst aktiv werden möchten, gebe ich folgende Ratschläge:
Markiere Risse, beobachte sie über 2–4 Wochen und dokumentiere Veränderungen mit Fotos und Messungen.Bei Unsicherheit oder tragenden Wänden frühzeitig einen Statiker dazu holen — das spart oft Geld und Nerven.Für einfache Risse (Haarrisse, nicht tragend) reichen oft Reparaturmörtel und ein neuer Putz.Bei Injektionen oder CFRP-Arbeiten arbeite mit geprüften Herstellern und Systemen (z. B. Sika, Mapei, Hilti), oder lasse die Arbeiten durch einen Fachbetrieb durchführen.Denke an Korrosionsschutz und eine diffusionsoffene Putzlösung besonders bei aussenliegenden Wänden.Wenn du magst, kann ich dir für dein konkretes Schadensbild eine Checkliste schicken oder bei der Einschätzung helfen — beschreibe mir Lage, Fotos und Messwerte, dann schaue ich mir das an und schlage konkrete nächste Schritte vor.